Die neue Evangelisierung  

und die heilige Liturgie

Fünf Wunden am liturgischen mystischen Leib Christi

 

von Bischof Athanasius Schneider 

 

 

Um richtig von der neuen Evangelisierung zu sprechen, ist es unverzichtbar, vorher auf den zu schauen, der der erste und der eigentliche Evangelisator ist, und das ist unser Herr und Heiland Jesus Christus, das menschgewordene Wort Gottes.  

 

 

Der Sohn Gottes ist auf diese Erde gekommen, um die eigentliche, die größte Sünde der Menschheit zu sühnen,  wieder gutzumachen.  

Und diese eigentliche, diese größte Sünde der Menschheit war und ist die Verweigerung der Anbetung Gottes, d.h. dass man Gott nicht die erste Ehre, den ersten Platz geben will.  

Diese Sünde der Menschen besteht letztlich darin, dass man Gott keine Beachtung schenkt, dass man kein Gespür mehr hat für die Dinge und auch die Details, die mit Gott und mit Seiner Anbetung zusammenhängen, dass man Gott nicht sehen will, dass man sich vor Gott nicht hinknien will.  

Für so eine Haltung des Geistes ist die Menschwerdung Gottes störend, ist folglich die reale Gegenwart Gottes im Geheimnis der Eucharistie störend, ist die Zentralität der eucharistischen Gegenwart Gottes in den Kirchen störend. Der sündige Mensch will nämlich sich selbst ins Zentrum stellen, auch im Kirchenraum, auch während der Eucharistiefeier, will gesehen werden, will wahrgenommen werden. Deshalb wird der eucharistische Jesus, der menschgewordene Gott, gegenwärtig unter den eucharistischen Gestalten im Tabernakel, am liebsten auf die Seite gestellt.  

Selbst das Bild des Gekreuzigten auf einem Stehkruzifix in der Mitte des Altars bei der Zelebration zum Volk hin stört, weil ja dabei das Gesicht des Priesters verdeckt wird.

 

Also stört das Bild des Gekreuzigten in der Mitte wie auch der eucharistische Jesus im Tabernakel in der Mitte. Das Bild des Gekreuzigten und der Tabernakel werden folglich auf die Seite gestellt.  

Die Anwesenden beim Gottesdienst sollen ja ständig das Gesicht des menschlichen Priesters sehen, und dieser setzt sich gerne buchstäblich in das Zentrum des Gotteshauses.  

Und wenn der eucharistische Jesus doch noch im Tabernakel im Zentrum belassen wird – weil glücklicherweise das staatliche Denkmalamt, manchmal sogar einer unchristlichen Regierung, aus Gründen der Bewahrung der Kunst es verbietet, den Tabernakel aus dem Zentrum zu entfernen, dann streckt Ihm der Priester oft während der ganzen Liturgiefeier bedenkenlos den Rücken hin. Wie oft haben einfache, demütige, Christus anbetende Gläubige in diesen Fällen vielleicht ausgerufen: „O gesegnete Denkmalämter der Regierung! Ihr habt uns Jesus wenigstens noch im Zentrum unseres Gotteshauses belassen.“  

 

Erst aus der Anbetung und Verherrlichung Gottes heraus kann die Kirche in rechter Weise das Wort der Wahrheit verkünden, d.h. evangelisieren. Bevor die Welt Jesus, das ewige und fleischgewordene Wort, predigen und verkündigen hörte, hat Jesus dreißig Jahre lang geschwiegen und angebetet. Das bleibt für immer auch das Gesetz für das Leben und Wirken der Kirche und aller Evangelisatoren.

 

ZITAT:  

Wie wir wissen, läuft der Glaube in weiten Gebieten der Erde Gefahr, wie eine Flamme zu verglimmen, die nicht mehr genügend Nahrung erhält. Wir stehen vor einer großen Krise des Glaubens und vor einem Verlust des religiösen Sinnes, die die größte Herausforderung für die Kirche von heute darstellen. In unseren Tagen muß demnach die Erneuerung des Glaubens im Engagement der ganzen Kirche Priorität werden. Ich wünsche mir, daß das Jahr des Glaubens durch eine herzliche Mitwirkung aller Glieder des Volkes Gottes dazu beitragen kann, Gott in dieser Welt erneut präsent zu machen und den Menschen den Zugang zum Glauben zu öffnen, im Vertrauen zu diesem Gott, der uns im gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus bis zum Ende geliebt hat (vgl. Joh 13,1).“

Papst Benedikt XVI. aus einer Ansprache vom 27.1.2012 an die Vollversammlung der Glaubenskongregation

 

„Im Umgang mit der Liturgie entscheidet sich das Geschick von Glaube und Kirche“,  

diese Worte sprach Kardinal Joseph Ratzinger, unser heutiger Heiliger Vater Papst Benedikt XVI.  

 

Das II. Vatikanische Konzil wollte die Kirche in unserer Zeit daran erinnern, welche Wirklichkeit und Tätigkeit den ersten Platz in ihrem Leben einnehmen soll. Deshalb war auch das erste Konzilsdokument der heiligen Liturgie gewidmet.  

 

Darin gibt uns das Konzil folgende bleibende Grundsätze:  

 

In der Kirche und folglich auch in der Liturgie ist das Menschliche auf das Göttliche ausgerichtet und diesem untergeordnet, ebenso das Sichtbare auf das Unsichtbare, die Aktion auf die Beschauung, und das Gegenwärtige auf die künftige Stadt, die wir ersehnen (vgl. Sacrosanctum Concilium, 2).   

 

Unsere irdische Liturgie nimmt nach der Lehre des II.

Vatikanischen Konzils vorauskostend an der himmlischen Liturgie der heiligen Stadt Jerusalem teil (vgl. ebenda, 8).  

 

 

Alles in der Liturgie der heiligen Messe soll deshalb dazu dienen, dass das Wesen des Opfers Christi deutlicher zum Ausdruck kommt, d.h. die Anbetung, der Dank, die Sühne, die Bitte, die der ewige Hohepriester am Kreuz dem Vater im Namen aller Menschen dargebracht hat.  

 

Der Ritus und alle Einzelheiten des heiligen Meßopfers sollen auf die Verherrlichung und Anbetung Gottes ausgerichtet sein, auf das Betonen der Zentralität der Gegenwart Christi, sei es im Zeichen und im Bild des

Gekreuzigten, sei es in Seiner eucharistische Gegenwart im Tabernakel und vor allem im Augenblick der heiligen Wandlung und der heiligen Kommunion.  

 

Je mehr das beachtet wird, je weniger der Mensch im Zentrum der Feier steht, je weniger die Feier wie ein geschlossener Kreis aussieht, sondern auch äußerlich offen ist auf Christus hin, gleichsam wie in Prozession auf Ihn hin sich bewegend mit dem Priester an der Spitze, desto wahrer spiegelt eine solche liturgische Feier das Anbetungsopfer Christi am Kreuz wieder, desto reichere Früchte aus der Verherrlichung Gottes werden die Teilnehmer in ihren Seelen empfangen, desto mehr wird Gott sie ehren. Je mehr Priester und Gläubige bei der Feier des heiligen Meßopfers wahrhaft die Ehre Gottes suchen und nicht die Ehre der Menschen, nicht die Ehre voneinander empfangen suchen, desto mehr wird Gott sie ehren, indem Er ihre Seelen an der Herrlichkeit und Ehre Seines göttlichen Lebens tiefer und fruchtbarer teilnehmen läßt.  

 

Nicht wenige Feiern der heiligen Messein der heutigen Zeit und an verschiedensten Orten der Welt schauen so aus, dass man über sie folgende Worte sagen könnte, in umgekehrter Weise wie die Worte von Psalm 113, 9: „Uns, o Herr, uns, und unserem Namen, gib die Ehre“ und ferner treffen auf solche Feiern noch diese Worte Jesu zu: „Wie könnt Ihr glauben, wenn ihr die Ehre voneinander sucht, die Ehre aber, die Gott allein gebührt, die sucht ihr nicht?“ (Joh 5, 44).  

 

Das II. Vatikanische Konzil hat im Hinblick auf eine Liturgiereform folgende Prinzipien gegeben:  

 

1. Das Menschliche, das Zeitliche, die Aktivität müssen während der Liturgiefeier auf das Göttliche, das Ewige, auf die Kontemplation ausgerichtet sein und diesen

gegenüber eine untergeordnete Rolle haben (vgl. Sacrosanctum Concilium, 2).

 

2. Während der Liturgiefeier soll das Bewusstsein gefördert werden, dass die irdische Liturgie an der himmlischen Liturgie teil hat (vgl. Sacrosanctum Concilium, 8).  

 

3. Es sollen grundsätzlich keine Neuerungen, also keine Neuschöpfungen in den liturgischen Riten, und vor allem im Meßritus erfolgen, es sei denn, dass ein wahrer und sicherer Nutzen für die Kirche das verlangt und dass man mit Behutsamkeit vorgeht und dass eventuelle neue Formen organisch aus den bestehenden heraus wachsen (vgl. Sacrosanctum Concilium, 23).  

 

4. Die Riten der Meßfeier sollen so sein, dass das Heilige klarer zum Ausdruck kommt (vgl. Sacrosanctum Concilium, 21).  

 

5. Die lateinische Sprache soll in der Liturgie und vor allem in der heiligen Messe erhalten bleiben (vgl. Sacrosanctum Concilium, 36 und 54).  

 

6. Der gregorianische Gesang hat in der Liturgie den ersten Platz (vgl. Sacrosanctum Concilium, 116).

 

Die Väter des II. Vatikanischen Konzils verstanden ihre Reformvorschläge als Fortsetzung der Reform des heiligen Pius X. (vgl. Sacrosanctum Concilium, 112 und 117) und des Dieners Gottes Pius XII. und haben in der Tat in der Liturgiekonstitution am meisten die Enzyklika „Mediator Dei“ von Papst Pius XII. zitiert.  

Papst Pius XII. hinterließ der Kirche unter anderen einen wichtigen Grundsatz der Lehre über die heiligen Liturgie, und zwar die Verurteilung des sogenannten liturgischen Archäologismus, dessen Vorschläge sich weitgehend mit denen der jansenistischen und protestantisierenden Synode von Pistoia vom Jahre 1786 deckten (vgl. „Mediator Dei“, Nr. 6364) und im Grunde auf entsprechende theologische Gedanken von Martin Luther zurückgehen.  

 

 

 

Deshalb hat schon das Konzil von Trient protestantische liturgische Ideen verurteilt, namentlich die Überbetonung des Mahlcharakters der Eucharistiefeier mit Verdunkelung des Opfercharakters, den Wegfall eindeutiger Zeichen der Sakralität als Ausdruck des Charakters des Mysteriums der Liturgie (vgl. Konzil von Trient, sessio XXII).  

 

Die liturgischen Lehraussagen des Lehramtes, wie in diesem Falle des Konzils von Trient und der Enzyklika “Mediator Dei”, welche sich in einer konstanten und universalen liturgischen Praxis von Jahrhunderten und sogar von mehr als einem Jahrtausend wiederspiegeln, gehören zu jenem Bestandteil der heiligen Überlieferung, welcher nicht ohne großen geistlichen Schaden aufgegeben werden kann.

Diese Lehraussagen über die Liturgie hat auch das II. Vatikanische Konzil aufgenommen., wie man das aus den allgemeinen Prinzipien des göttlichen Kultes in der Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ ersehen kann.  

 

Als konkreten Irrtum des Denkens und Handelns des liturgischen Archäologismus nennt Papst Pius XII. den Vorschlag, dem Altar eine Tischform zu geben. (vgl. „Mediator Dei“ Nr. 62). Wenn schon Papst Pius XII. die Tischform des Altars ablehnte, wie sehr erst hätte er den Vorschlag einer Zelebration gleichsam wie um einen Tisch herum „versus populum“ abgelehnt?

 

 

 

Wenn „Sacrosanctum Concilium“ in Nr. 2 lehrt, dass in der Liturgie die Kontemplation den Vorrang haben soll und die ganze Meßfeier auf die himmlischen Geheimnisse ausgerichtet sein soll (vgl. ebenda Nr. 2 undNr. 8), dann sieht man hier ein getreues Echo folgender Aussage des

Trienter Konzils, welches lehrte: „Da die Natur des Menschen so beschaffen ist, dass sie sich nicht leicht ohne äußere Hilfsmittel zur Kontemplation der göttlichen Dinge erheben kann, deswegen hat die gütige Mutter Kirche bestimmte Riten eingeführt; sie verwandte aufgrund der apostolischen Lehre und Überlieferung Zeremonien, wie geheimnisvolle Segnungen, Lichter, Weihrauch, Gewänder und vieles andere Derartige; dadurch sollten die Gemüter der Gläubigen durch sichtbare Zeichen der Religion und Frömmigkeit zur Kontemplation der höchsten Dinge angeregt werden“ (sessio XXII., cap. 5). Die zitierten Lehren des höchsten Lehramtes der Kirche und vor allem jene von „Mediator Dei“ hatten für die Väter des II. Vatikanischen Konzils zweifellos Gültigkeit und müssen folglich für alle Kinder der Kirche auch heute noch Gültigkeit haben.  

 

In dem Brief an alle Bischöfe der katholischen Kirche, welchen Papst Benedikt XVI. dem Motu proprio „Summorum Pontificum“ vom 7. Juli 2007 beigefügt hat, macht der Papst diese wichtige Aussage:  

„In der Liturgiegeschichte gibt es Wachstum und Fortschritt, aber keinen Bruch. Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß.“

 

Damit drückt der Papst das Grundprinzip der Liturgie aus, welches das Konzil von Trient, Papst Pius XII. und das II. Vatikanische Konzil gelehrt haben.

Wenn man unvoreingenommen und objektiv auf die liturgische Praxis der erdrückenden Mehrheit der Kirchen auf dem ganzen katholischen Erdenrund schaut, in denen die ordentliche Form des römischen Ritus in Gebrauch ist, so kann es niemand ehrlicherweise leugnen, dass die erwähnten sechs liturgischen Prinzipien des II. Vatikanischen Konzils in der Regel nicht oder sehr ungenügend erfüllt sind, obwohl diese Praxis der Liturgie irrtümlicherweise als nach den Wünschen des II. Vatikanischen Konzils vollzogene deklariert wird.  

 

 

 

Es gibt einige konkrete Aspekte in der überwiegenden heutigen liturgischen Praxis im ordentlichen Ritus, welche einen echten Bruch mit einer über ein Jahrtausend konstant währenden liturgischen Praxis der Kirche darstellen.  

 

Es handelt sich um folgende fünf liturgische Bräuche, welche man gleichsam als die fünf Wunden am liturgischen mystischen Leib Christi bezeichnen kann. Es handelt sich um Wunden, weil sie einen gewaltigen Bruch mit der Vergangenheit darstellen, weil sie den Opfercharakter, eben den zentralen und wesenhaften Charakter des Meßopfers, weniger zum Ausdruck bringen und den Mahlcharakter in den Vordergrund stellen, die äußeren Zeichen der göttlichen Anbetung vermindern, weil sie den Charakter des Mysteriums, des Himmlischen und Ewigen weniger zum Ausdruck bringen.  

Bei diesen fünf Wunden handelt es sich um solche, die mit Ausnahme einer Wunde (der Neuschöpfung der Offertoriumsgebete), nicht in der ordentlichen Form des Meßritus vorgeschrieben sind, sondern durch die Praxis in der Art einer schlechten Mode eingeführt wurden.  

 

I.  

Die erste und deutlichste Wunde ist die Feier des Meßopfers, bei der der Priester mit dem Gesicht zu den Anwesenden hin zelebriert und zwar während des eucharistischen Hochgebetes und der heiligen Wandlung, des heiligsten und höchsten Moments der göttlichen Anbetung.  

Diese äußere Form entspricht eher der Form, die einem Vortrag, einer Lehrstunde oder einer Mahlveranstaltung naturgemäß ist. Es handelt sich um die Form eines in sich geschlossenen Kreises. Diese Form ist dem Moment des Gebets und erst recht dem Moment der Anbetung nicht naturgemäß. Diese Form hat das II. Vatikanische Konzil nicht in entferntester Weise gewollt und sie wurde als solche von den nachkonziliären Päpsten lehrmäßig nie empfohlen.  

 

Papst Benedikt XVI. schreibt im Vorwort zum ersten Band seiner Gesammelten Werke folgendes: „Der Gedanke, dass Priester und Volk sich beim Gebet gegenseitig anschauen sollten, ist erst in der Moderne entstanden und der alten Christenheit völlig fremd. Priester und Volk beteten ja nicht zueinander, sondern zum einen Herrn hin. Deshalb schauen sie beim Gebet in dieselbe Richtung: entweder nach Osten als kosmisches Symbol für den kommenden Herrn oder, wo dies nicht möglich war, auf ein Apsisbild Christi, auf ein Kreuz oder einfach gemeinsam nach oben“.  Die Zelebrationsform, bei der alle in dieselbe Richtung blicken (conversi ad orientem, ad Crucem, ad Dominum), ist sogar von den Rubriken des neuen Meßritus angedeutet (vgl. Ordo Missae, n. 25, n. 133 und n. 134).  

 

Die sogenannte Zelebration „versus populum“ entspricht sicherlich nicht der Vorstellung über die heilige Liturgie, wie sie z.B. in den Aussagen von Sacrosanctum

Concilium Nr. 2 und Nr. 8 zu finden ist.

 

II.  

Die zweite Wunde ist die beinahe weltweit verbreitete Handkommunion. Diese Form des Kommunionempfangs wurde nicht nur mit keinem Wort von den Vätern des II. Vatikanischen Konzils erwähnt, sondern wurde von manchen Bischöfen im Ungehorsam gegen den Heiligen Stuhl und ungeachtet des negativen Votums von Jahre 1968 seitens der Mehrheit des Gesamt e p i s k o p a t s eingeführt und dann von Papst Paul VI. nachträglich,

unter gewissen Bedingungen und nur ungern legitimiert.  

 

 

Papst Benedikt XVI. teilt seit dem Hochfest des Leibes und Blutes Christi des Jahres 2008 die heilige Kommunion nur in der Weise aus, dass die Gläubigen sie aus seiner Hand kniend und in den Mund empfangen und das nicht nur in Rom, sondern in allen Ortskirchen, die er besucht.  

Er gibt damit der ganzen Kirche ein klares Beispiel des praktischen liturgischen Lehramtes. Wenn schon die qualifizierte Mehrheit des Gesamtepiskopates drei Jahre nach dem Konzil die Handkommunion als schädlich abgelehnt hat, wie viel mehr hätten es dann die Väter des Konzils getan!

 

III. 

Die dritte Wunde sind die neuen Opferungsgebete. Sie sind eine völlige Neuschöpfung und waren nie in der Kirche in Gebrauch. Sie drücken weniger den Hinweis auf das Geheimnis des Kreuzesopfers, als eher den Gedanken eines Mahles aus, ähnlich den Gebeten des jüdischen Sabbatmahls. In der über tausendjährigen Tradition der West- und der Ostkirche waren die Opferungsgebete immer ausdrücklich auf das Geheimnis des Kreuzesopfers ausgerichtet
H
istoire des prières d’offertoire dans laliturgie romaine du VIIe au XVIe siè-, Roma 1985). So eine absolute Neuschöpfung ist sicherlich gegen die klare Vorgabe des II. VatikanischenKonzils, das sagt: „Innovationes, demum, ne fi ant nisi vera et certautilitas Ecclesiae id exigat, et adhibita cautela ut novae formae ex formis iam exstantibus organice quodammode crescant“  (Sacrosanctum Concilium, 23)1*

 

IV. 

Die vierte Wunde ist das völlige Verschwinden der lateinischen Sprache in der erdrückenden Mehrheit aller Meßfeiern in der ordentlichen Form auf dem ganzen katholischen Erdenrund.

Das ist ein direkter Verstoß gegen die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils.

 

V.  

Die fünfte Wunde ist die Ausübung der liturgischen Dienste des Lektors und des Akolythen seitens der Frauen und die Ausübung derselben Dienste in Zivilkleidung durch das Hinzutreten in den Altarraum während der heiligen Messe direkt aus den Plätzen, wo sich die Gläubigen befinden.  

Dieser Brauch bestand nie in der Kirche bzw. wurde nie gutgeheißen.  

Er verleiht der katholischen Meßfeier den äußeren Charakter von etwas Informellem, den Charakter und den Stil einer eher profanen Versammlung.  

 

Schon das II. Konzil von Nicäa verbot im Jahre 787 solche Praktiken mit diesem Kanon: „Wenn jemand nicht geweiht ist, ist es ihm nicht erlaubt, während der heiligen Liturgie vom Ambo aus die Lesung vorzutragen“ (can. 14). Diese Norm wurde im Grunde beständig in der Kirche beachtet. Es durften während der Meßliturgie nur Subdiakone bzw. Lektoren die Lesung vortragen.  

Als Ersatz für die fehlende Lektoren oder Akolythenweihe, könnten diese Funktionen Männer oder Jungen in liturgischer Kleidung tun, aber nicht Frauen, da das männliche Geschlecht auf der Ebene der nichtsakramentalen Lektoren und Akolythenweihe zeichenhaft noch das letzte Band mit diesen Weihen darstellt.  

 

In den Texten des II. Vatikanischen Konzils gibt es keinen Hinweis auf die Abschaffung der Niederen Weihen und des Subdiakonats und die Einführung von neuen Dienstämtern an ihrer Stelle.

 

In Sacrosacntum Concilium Nr. 28 macht das Konzil den Unterschied zwischen „minister“ und „fidelis“ während der Liturgiefeier und legt fest, dass beide nur das und all das tun dürfen, was ihnen von der Natur der Liturgie herzukommt. Nr. 29 erwähnt die „ministrantes“, d. h. die Altardiener, die keinerlei kirchliche Weihe erhalten haben. Im Unterschied zu ihnen hießen nach der damaligen Rechtssprache „ministri“ jene, die entweder eine höhere oder eine niedere Weihe erhalten haben.

 

Mit dem Motu proprio „Summorum Pontificum“ hat Papst Benedikt XVI. bestimmt, dass beide Formen des römischen Ritus mit derselben Ehre anzusehen und zu behandeln sind, weil die Kirche dieselbe ist vor und nach dem Konzil. Im Begleitbrief zum Motu proprio wünscht der Papst, dass sich beide Formen gegenseitig befruchten. Ferner wünscht er, dass in der neuen Form „mehr als es bisher der Fall war, jene Sakralität erscheint, die viele Menschen zum alten Usus hinzieht“ (ebenda.).  

 

Die erwähnten fünf unglücklichen Bräuche oder liturgischen Wunden (Zelebration versus populum, Handkommunion, völliger Wegfall der lateinischen Sprache und des gregorianischen Gesangs sowie der Einsatz von Frauen für Lektoren und Akolythendienst) haben an sich nichts mit der ordentlichen Form der Meßfeier zu tun und widersprechen darüber hinaus den liturgischen Prinzipien des II.Vatikanischen Konzils.  

 

Würde man diese Bräuche wieder abstellen, dann würde man zur wahren liturgischen Lehre des II. Vatikanischen Konzils zurückkehren.  

 

Und dann würden sich auch beide Formen des römischen Ritus ganz nahe kommen, so dass zumindest äußerlich gesehen kein Bruch zwischen beiden Formen festzustellen wäre, und somit auch kein Bruch zwischen der Kirche vor und nach dem Konzil. Was die neuen Offertoriumsgebete betrifft, so wäre sehr zu hoffen, dass der Heilige Stuhl sie mit den entsprechenden Gebeten der außerordentlichen Form ersetzt oder zumindest deren Gebrauch ad libitum erlaubt. Dann wäre auch innerlich und nicht nur äußerlich der Bruch zwischen beiden Formen vermieden. Und eben einen Bruch in der Liturgie wollte die Mehrheit der Väter des Konzils ja nicht, wie es in den Konzilsakten nachzulesen ist, weil es in der zweitausendjährigen Geschichte der Liturgie der heiligen Kirche nie einen liturgischen Bruch gab und folglich auch nie einen Bruch geben darf, sondern Kontinuität, wie es ebenfalls für die Glaubenslehre zutrifft.

 

Die fünf erwähnten Wunden am liturgischen Leib der Kirche rufen nach Heilung.  

Sie stellen einen Bruch dar, vergleichbar mit dem Bruch, den das Avignoner Exil darstellte. Die Situation eines so deutlichen Bruches in einer nicht unwichtigen Lebensäußerung der Kirche – damals das Fernbleiben der Päpste von Rom, heute der sichtbare Bruch zwischen der Liturgie vor und nach dem Konzil – ruft nach Heilung. Es bedarf heute deshalb neuer Heiliger, einer oder mehrer neuen hl. Katharina von Siena. Es bedarf des Rufes der „vox populi fi delis“ (Stimme des gläubigen Vokes) nach Beseitigung dieses liturgischen Bruches. Aber die Tragik besteht darin, dass damals in der Zeit des Avignoner Exils wie heute eine große Mehrheit des Klerus und vor allem des höheren Klerus sich mit dem Exil und mit dem Bruch zufrieden gegeben haben.

 

Bevor man wirksame und dauernde Früchte von der neuen Evangelisierung erwarten kann, muss innerhalb der Kirche zuerst ein ernster Prozess der Bekehrung stattfinden.  

Wie kann man anderen das Wort „Kehr um!“ zurufen, wenn bei den Verkündigern noch keine überzeugende Umkehr zu Gott stattgefunden hat, weil sie Gott in der Liturgie nicht genügend zugewendet sind, sowohl innerlich als auch äußerlich?  

Man feiert das Meßopfer, das Anbetungsopfer Christi, das größte Geheimnis des Glaubens, den höchsten Akt der Anbetung wie in einem geschlossenen Kreis und schaut sich gegenseitig an. Es fehlt die auch äußerlich notwendige „conversio ad Dominum“ (Hinwendung zum Herrn), weil man während der Liturgie den eucharistischen Christus so behandelt, als wäre er kein Gott und man Ihm keine klaren äußeren Zeichen der Gott gebührenden Anbetung darbringt, indem die Gläubigen Ihn bei der heiligen Kommunion ohne Knien empfangen, und Ihn sogar wie eine alltägliche Speise in die Hände nehmen, mit den Fingern ergreifen und sich selbst in den Mund legen und die Gefahr einer Art eucharistischen Arianismus *2 oder Semiarianismus besteht.  

 

 

Eine der notwendigen Voraussetzungen für eine fruchtbare Neuevangelisierung wäre folgendes Zeugnis der ganzen Kirche auf der Ebene des öffentlichen liturgischen Kultes:

 

1. Daß auf dem ganzen Erdenrund die heilige Messe auch in der neuen Form innerlich und notwendigerweise auch äußerlich in der „conversio ad Dominum“ gefeiert würde.

 

2. Dass alle Gläubigen vor Christus in der heiligen Kommunion ihre Knie beugen würden, wie es der heilige Paulus bezüglich des Namens und der Person Christi verlangt (vgl. Phil 2, 10) und Ihn mit größtmöglicher Liebe und größtmöglicher äußeren Ehrfurcht wie es Ihm als wahren Gott gebührt, empfangen würden.  

 

Gott zum Lob hat Papst Benedikt XVI. durch zwei konkrete Maßnahmen den Prozeß der Rückkehr aus dem liturgischen Avignoner Exil eingeleitet, nämlich durch das Motu proprio „Summorum Pontificum“ und durch die Einführung des überlieferten Kommunionritus. Es braucht noch viel Gebet und vielleicht eine neue hl. Katharina von Siena, damit die nächsten Schritte folgen, um die fünf Wunden am liturgischen und mystischen Leib der Kirche zu heilen, und damit Gott in der Liturgie mit einer solchen Liebe, Ehrfurcht, Erhabenheit verehrt werde, wie es die Kirche beständig getan und gelehrt hat, namentlich das Konzil von Trient, Papst XII. in der Enzyklika „Mediator Dei“, das II. Vatikanische Konzil in der Konstitution „Sacrosanctum Concilium“ und Papst Benedikt XVI. in seiner Theologie der Liturgie, seinem praktischen liturgischen Magisterium und seinem erwähnten Motu proprio.  

 

Niemand kann evangelisieren, wenn er nicht vorher anbetet, ja wenn er nicht beständig anbetet und Gott, dem eucharistischen Christus, den wahren Vorrang in der Art der Zelebration und in seinem ganzen Leben gibt.  

In der Tat, um mit Kardinal Joseph Ratzinger zu sprechen: „Im Umgang mit der Liturgie entscheidet sich das Geschick von Glaube und Kirche.“  

   

Papst Benedikt XVI. in seiner Weihnachtsansprache an die römische Kurie (22. Dezember 2011)  

„Was ist Reform der Kirche?
Wie geschieht sie? Was sind ihre Wege und ihre Ziele?“ …
„Mit Besorgnis sehen nicht nur treue Glaubende, sondern auch Außenstehende, wie dieregulären Kirchgänger immer älter werden und ihre Zahl beständig abnimmt; wie der Priesternachwuchs stagniert; wie Skepsis und Unglaube wachsen. Was also sollen wir tun? Es gibt nicht endende Dispute darüber, was man machen muß, damit die Trendwende gelingt. Und sicher muß man vielerlei machen. Aber das Machen allein löst die Aufgabe
nicht. Der Kern der Krise der Kirche in Europa ist die Krise des Glaubens. Wenn wir auf sie keine Antwort finden, wenn Glaube nicht neu lebendig wird, tiefe Überzeugung und reale Kraft von der Begegnung mit Jesus Christus her, dann bleiben alle anderen Reformen wirkungslos.“

 Anmerkungen:

* 1. Schließlich sollen keine Neuerungen eingeführt werden, es sei denn, ein wirklicher und sicher zu erhoffender Nutzen der Kirche verlange es. Dabei ist Sorge zu tragen, daß die neuen Formen aus den schon bestehenden gewissermaßen organisch herauswachsen.

 

* 2. Arius vertrat die Lehre, Christus sei nicht gezeugt, sondern ein aus dem Nichts geschaffenes Wesen. In der Menschwerdung verbinde sich schließlich göttlicher Logos als Seele mit dem Leib. Allein in der sittlichen Bewährung steige Christus schließlich zum Sohn Gottes auf. Jesus wird im Arianismus nicht als wesensgleich, sondern nur als wesensähnlich mit Gott und als Gottes vornehmstes Geschöpf betrachtet.

 

 

Vortrag von Athanasius Schneider, Weihbischof der Erzdiözese der Heiligen Maria in Astana (Kasachstan) bei der 4. Versammlung der Vereinigung "Reunicatho" in Paris am 15. Januar 2012.  (Der vollständige Text befindet sich gleich unten).     

 

De Text von Bischof A. Schneider befindet sich in der 4. Ausgabe von Dominus Vobiscum und wurde Ihnen dank freundlicher Genehmigung von Frau Monika Rheinschmitt zur Verfügung gestellt.  

 

Weihbischof Athanasius Schneider

 

 

 

DOMINUS VOBISCUM  

Katholisches Magazin für Tradition und Kultur 

  

Herausgegeben wird die Zeitschrift von der Laienvereinigung für den klassischen römischen Ritus in der Katholischen Kirche e.V. (Pro Missa Tridentina) in enger Zusammenarbeit mit dem katholischen Onlinemagazin Kathnews.
 

 

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Du aber unser Gott bist gütig und treu, langmütig und das All mit Erbarmen lenkend. 

(Weisheit 15,1)


Künde der ganzen Welt von Meiner unbegreiflichen Barmherzigkeit.

TB 699 



Ehe Ich als gerechter Richter komme, öffne Ich weit die Tür Meiner Barmherzigkeit. 

Wer durch die Tür der Barmherzigkeit nicht eingehen will, muss durch die Tür Meiner Gerechtigkeit.

TB 1146



Möge die ganze Menschheit Meine unergründliche Barmherzigkeit kennen lernen. Das ist das Zeichen der Endzeit. 

Danach kommt der Tag der Gerechtigkeit. 

TB 848

    


Sekretärin Meiner Barmherzigkeit - schreibe, künde den Seelen von Meiner großen Barmherzigkeit, denn der furchtbare Tag ist nahe, der Tag Meiner Gerechtigkeit!

TB 965